HEINRICH O.PROSKAUER - ZUM KAMPF UM GOETHES FARBENLEHRE

HEINRICH O.PROSKAUER - ZUM KAMPF UM GOETHES FARBENLEHRE

78 Seiten

Manufaktur (juergensendesign)

ISBN 3922704433

 

Inhalt

Worum es geht

Zum Kampf um Goethes Farbenlehre

Die Physik und die Wirklichkeit des Menschen

Wo irrte Goethe in der Farbenlehre?

Goethes Farbenlehre im Blickfeld der modernen Physik

Zum Studium des Goetheanismus

Was sich ergibt


 

 

Seite 7

Worum es geht

Um nicht weniger als um das Hauptwerk Goethescher Naturwissenschaft, mit dem sein ganzes naturwissenschaftliches Anliegen steht oder fällt. Die Physiker haben sich, mit ganz wenigen Ausnahmen, gegen Goethes Denkhaltung auf dem Gebiet der Farbenlehre entschieden und halten mit ihren Urteilen nicht zurück. 

Für sie sind die Farben nach wie vor im Licht enthalten, auch wenn sie dort nicht wahrzunehmen sind, und für sie ist die Finsternis, die nach Goethe in jeder Farbe zu gewahren ist, ein leeres, völlig unwirksames Nichts. Beide Annahmen sind Absagen an die Sinneswahrnehmung zu gunsten eines quantitativ-spekulativen Denkens, das hinter der Wahrnehmung nach einer unsichtbaren, aber doch materiellen „Realität” sucht. 

Im Grunde wird Goethes Werk nur darum abgelehnt, weil es eine andere, wirklichkeitsfreundlichere und doch exakte Erkenntnisart praktiziert, die die Wissenschaft dieses Gebietes sich noch nicht erworben hat. 

Das Denken unserer Physikbücher hat die großartige Technik unserer Zeit hervorgebracht. Die weitergeführte Erkenntnisart Goethes, für die noch gekämpft werden muß, kann die natürliche und die menschliche Welt, die Gebiete der Qualitäten, in exakt wissenschaftlicher Weise erfassen. Und Goethes Farbenlehre wäre auch dafür ein Schulungsbuch par excellence. 

Sie leitet eine Wissenschaftshaltung ein für die noch kaum erforschten Bereiche des Lebendigen, des Beseelten und Begeisteten. 

Darum geht es letztlich im Kampf um Goethes Farbenlehre. Heinrich O.Proskauer


 

Seite 17

 ...Die sogenannte „Zurückführung” von Qualitäten auf Quantitäten in der Licht- und Farbenlehre hat dazu geführt, daß zwischen den so entstandenen Gebieten der physikalischen und physiologischen Optik, sowie neuerdings der psychologischen Farbenlehre, unüberbrückbare Abgründe klaffen.

Eine vor einigen Jahren erschienene „Einführung in die Farbenlehre” wird daher in drei Teile getrennt: Physik der Farben, Physiologie der Farbe und Psychologie der Farbe, und von drei Fachgelehrten jedes Gebiet gesondert behandelt. („Einführung in die Farbenlehre” von Ernst Boller, Donald Brinkmann, Emil J. Walter. A. Francke, A.-G.Verlag, Bern       

Es ist nicht zu verwundern, daß sie sich in wesentlichen Punkten direkt widersprechen. So muß z.B. am Anfang des Buches der Physiker sagen: „Sprechen wir von Licht, Farben, Tönen, Gerüchen usw., so müssen wir uns bewußt sein, daß dies alles nur in uns als Empfindungen existiert. In der „Außenwelt” gibt es nur Materie, Energie, Bewegung, mechanische Änderungen in unserer Umgebung, die dann auch in unseren Sinnesorganen Veränderungen zur Folge haben. Die Welt ist an sich grau in grau, absolut farb- und geräuschlos” (S. 10). — Zu dieser für den Physiker als grundlegend geltenden Ausgangssituation bemerkt der Psychologe im letzten Teil des Buches: „Wenn die Naturwissenschaftler im Unterschied zum Psychologen von der Farbenempfindung reden und sie zur Grundlage ihrer Erkenntnisbemühungen machen, so müssen sie sich bewußt bleiben, daß sie damit eine Abstraktion von der Erlebniswirklichkeit vollziehen, die sich auch nachträglich nicht mehr rückgängig machen läßt.” (S. 10/11). 

Und im Hinblick auf die philosophischen Fundamente des Physikers und Physiologen, daß die Sinnesempfindung vom Organ zur materiellen Außenwelt hinzugeschaffen werde und demnach vom Auge abhänge‚ wie auch im zweiten Teil des Buches ausführlich dargestellt wird, muß der Psychologe im dritten Teil sagen: „Doch darf man diese Abhängigkeit auch nicht in dem Sinne mißverstehen, wie es von Seiten der Philosophen nur allzuoft geschehen ist, daß die Welt der Gegenstände und Farben gewissermaßen vom wahrnehmenden Menschen erst geschaffen werden, wenn er sie sehe. 

Es kann keine Rede davon sein, daß die Welt meine Vorstellung ist und nur als solche existiert (Schopenhauer) (S. 111/ 112). — Auch Goethe hatte Schopenhauers physiologischen Idealismus abgelehnt, als er ihm in dessen Farbenlehre entgegentrat. Und so kann der Psychologe sich in vielem mit Goethes Farbenlehre in Übereinstimmung erklären und nachdrücklich auf sie verweisen. Doch, was soll der denkende Leser sagen, der sich in die „Farbenlehre” einführen lassen will und auf diese unvereinbaren Widersprüche in ein und demselben Buche stößt? 

Wäre es nicht angezeigt, die Untersuchungen über die „Subjektivität” der Sinnesempfindungen in neuer Art wieder aufzunehmen? Liegt doch hier eine der wundesten Stellen unseres ganzen neueren naturwissenschaftlichen Denkens. Und solange hier nicht Änderung geschaffen ist, kann sich die Wissenschaft dieses Gebietes nicht weiter fruchtbar entfalten, sondern muß notwendig zur Erkenntnisgrenze führen, jenseits derer die Wirklichkeit liegt, die sich der Forscher aber selbst verdunkelt und verdeckt durch seine Befangenheit in unzulänglichen Begriffen. 

Gehört doch das Reden von den Erkenntnisgrenzen, die durch „die Brille unserer Sinnesempfindungen” (Max Planck) gesetzt sein sollen nachgerade zum guten Ton in den Kreisen der Physiker; weisen sie doch damit auf ein faszinierendes „Jenseits“, den neuen, allerdings finsteren, „Himmel” des Physikers, aus dem jedoch ganz „reale” Kräfte und Energien heraussteigen, die umso anziehender sind, je weniger sie durchschaut werden.

RudoIf Steiner hat seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts immer wieder den Finger auf diese Wunde gelegt. Aber er hat auch die heilenden Erkenntnisse ermöglicht.“ 

(Rudolf Steiner, „Goethes Naturwissenschaftliche Schriften "(Über die Sinnesempfindungen in der Einleitung zu „Goethes Farbenlehre“, (Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart) „Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung"; „Wahrheit und Wissenschaft”; „Die Philosophie der Freiheit”; „Goethes Weltanschauung“; „Veröffentlichungen aus dem literarischen Frühwerk“ (vorwiegend in Bd. I. u. lV);„Die Rätsel der Philosophie”; „Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung”, und andere.)

(alle im „Rudolf Steiner Verlag” Dornach, Schweiz)

Es ist hohe Zeit sie ins wissenschaftliche Zeitbewußtsein aufzunehmen, denn, mehr als man glaubt, liegt hier der Ausgangspunkt einer Erkrankung, die bis in die sozialen Zusammenhänge verheerende Folgen zeitigt.

Auf dem Gebiete der Licht- und Farbenlehre stellt sich die Lehre von der „Subjektivität” aller Sinnesempfindungen folgendermaßen dar: Die Farbe wird als Erzeugnis des auf einen Reiz aus der „Außenwelt“ reagierenden Auges und anschließenden Nervenapparates betrachtet. Der verursachende Reiz sei ein „aus elektromagnetischen Wellen bestimmter Energiebetrag" (S. 41). Sucht man nun für diese „Ursache” einen irgend faßbaren Inhalt, so muß man konsequenter Weise alles Sinnliche aussondern. Dazu gehört aber auch Bewegung, ja auch alles, was uns die Begriffe Kraft und Energie ausfüllt. Ohne Sinnesempfindungen, und seien sie noch so blaß und grau, wären wir auch zu diesen nicht gekommen. Konsequent gedacht findet sich für den Begriff der „Ursachen” überhaupt kein Inhalt. Er bleibt ein leeres Nichts, das in sich zusammenfällt. — Es ist charakteristisch für die moderne Physik, daß sie, da ihr jeder Inhalt ihrer Wirklichkeit unter den Händen zerrinnt, durch das Dogma von der Subjektivität der Sinnesempfindung genötigt ist, immer „unanschaulichere” Abstraktionen an die Stelle dieser „Ursachen” hinzudenken.

Wäre aber nun doch irgend ein uns ganz unbekanntes Etwas vorhanden, das man als „Ursache” für die Sinnesempfindung verantwortlich machen wollte, so wäre nirgends die Stelle aufzufinden, wo die „Verursachung“ in ihrer „Wirkung”, die Empfindung, übergeht. Man stelle nur die Frage: 

Wo ist die Farbe? 

Im „Objekt”, das ja verursachen soll, kann sie noch nicht sein; auf dem Wege zum Organ ist sie auch noch nicht; im Auge sind zunächst physikalische (Optik des Auges), dann physiologische Vorgänge, Funktionen und Prozesse, nicht aber die Farbe selbst zu finden. So aber auch in Nerv und Gehirn. Erst im „Bewußtsein“, tritt sie auf. Wie aber kommt dieser Sprung von den ganz unfarbigen Vorgängen in Nerv und Gehirn in die Seele, ins Bewußtsein, — das überdies noch die Farbe nicht als aus dem Gehirn kommend, sondern an den Gegenständen empfindet, — zustande? 

Gründliche Denker haben die Schwierigkeit, die hier vorliegt, und die zumeist leichtfertig verwischt wird, empfunden. Friedrich Theodor Vischer weist einmal mit folgenden Worten auf sie hin:

„Suchen wir nicht immer noch vergeblich? Wie wird, wo wird, so fragen wir, wenn das Rätsel des Sehens erklärt werden soll, wie oder wo wird das in die Kristall-Linse fallende, von der Netzhaut empfundene Bild zum seelisch wahrgenommenen Bilde, zur Vorstellung? 

Bedarf es noch einer weiteren Vermittlung, wenn doch Leib und Seele in der Wurzel Eines sind? 

Ist die Netzhaut diese Brücke, bedarf es noch einer weiteren Brücke? 

Es führt zu einem processus in infinitum” („Altes und Neues, neue Folge” S. 272). 

In Wahrheit ist eben diese Brücke von der „Ursache” zur „Wirkung” nirgends zu finden. Und es gilt noch heute, was vor über hundert Jahren der Physiologe Du Bais-Reymond in seiner berühmten Ignorabismus-Rede erklärte:

„Welche denkbare Verbindung besteht zwischen bestimmten Bewegungen bestimmter Atome in meinem Gehirn einerseits, andererseits den für mich ursprünglichen, nicht weiter definierbaren, nicht wegzuleugnenden Tatsachen: „Ich fühle Schmerz, fühle Lust; ich schmecke Süsses, rieche Rosenduft, höre Orgelton, sehe Rot”, und der ebenso unmittelbar daraus fließenden Gewißheit: „Also bin ich?” 

Es ist eben durchaus und für immer unbegreiflich, daß es einer Anzahl von Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff- usw. Atomen nicht sollte gleichgültig sein, wie sie liegen und sich bewegen, wie sie lagen und sich bewegten, wie sie liegen und sich bewegen werden” 

(„Über die Grenzen des Naturerkennens”).

Der einzige Ausweg aus dieser Situation ist der, daß der ganze Gedankengang, der vom Begriff der mechanischen Kausalität regiert wird, aufgegeben werden muß und ein anderer, brauchbarer, an seine Stelle zu treten hat. Die hier statuierten „Erkenntnisgrenzen” sind nichts anderes als das Ergebnis eines Erkenntnisversuches mit unzulänglichen Mitteln. Bevor Lamarck, Darwin und Haeckel den Zusammenhang der Lebewesen durch den Begriff der Entwicklung in ihren gegenseitigen Beziehungen aufklärten, gab es auch hier „Erkenntnisgrenzen“ jenseits deren man die Schöpfung jeder Art als Verkörperung verschiedener Ideen Gottes deklarierte. Es gilt heute, auch für die Entstehung der Sinneswahrnehmung klärende Begriffe aufzunehmen, die die betreffenden Tatsachen in einem ganz neuen Lichte zeigen und der Forschung ganz neue Ausblicke ermöglichen.

Es sei im Folgenden versucht, einige kurze Hinweise zu geben in der Richtung des Weges, wie ihn Rudolf Steiner in Weiterführung des von Goethe Begonnenen gewiesen hat.

Ohne sich konkrete Vorstellungen über die tatsächlichen Vorgänge zu machen, zieht man die Grenze zwischen Subjekt und Objekt gewöhnlich da, wo die „materielle Einwirkung” den Sinnesorganismus trifft. Schematisch würde sich das so darstellen:


                                                          Grenze 

                                               Subjekt     I       Objekt 

                                              Wirkung             Ursache 

                            Sinnes-Empfindung             materielle Außenwelt 

                                                  Farbe             elektromagnetische Schwingungen

                                                   Innen             Außen


„Außen” wäre das „Objekt”. 

Das Leibes-„Innere” das „Subjekt“. 

Nun ist aber, wie wir sahen, im Leibesinnern die Farbe nirgends zu finden, man mag ihn aufschneiden wo man will. Die Vorgänge in Auge und Nerv sind für die Farbe genau so „außen" wie die Vorgänge außerhalb des Leibes. 

Die Grenze ist also gewissermaßen „oberhalb” des Gehirn's, zwischen Leib und Seele, d.h. zwischen raum-zeitlichen und solchen Entitäten zu ziehen, die von Raum und Zeit inhaltlich völlig unabhängig sind. Verfolgt man in dieser sich notwendig ergebenden Blickrichtung die Phänomene, so offenbaren sie eine zweifache Gesetzmäßigkeit. Es seien dafür im Folgenden einige Beispiele angeführt, die sich leicht vervielfältigen ließen.

Fixiert mein Auge einen roten Gegenstand während einiger Sekunden möglichst eindringlich, und wird ihm dieser dann rasch durch eine hellgraue Tafel verdeckt, der Blick aber in gleicher Richtung auf diese Tafel gehalten, so erscheint, nach einigen Momenten, das Bild des gesehenen Gegenstandes, aber nunmehr in einem bestimmten Grün. Ein gelber Gegenstand erscheint bei gleichem Verfahren violett, ein blauer orange und umgekehrt. 

Diese Farbpaare, die Goethe die „geforderten” („Goethes Farbenlehre", Physiologische Abteilung). nennt, stehen nun in einer ganz bestimmten, gesetzmäßigen Beziehung. Wird nämlich der Blick z.B. auf ein blaueres Rot gerichtet, so ist das erscheinende Grün ein gelblicheres. Ist das fixierte Gelb ein grünlicheres, so wird das geforderte Nachbild ein röteres Violett. Und so bei allen: Die geforderten Farben sind je nach dem Vorbild ganz genau bestimmte.

Folgender Versuch wurde durchgeführt: 

Fünf Versuchspersonen bekamen jede Papier und verschiedene Farbenkästen mit Aquarellfarben. Am Nörrenberg’schen Fallapparat wurde ihnen fortwährend dasselbe grüne Bild gezeigt, und der graue Schirm darüber fallen gelassen, so daß sie das rote Nachbild ständig erzeugen konnten. Sie versuchten nun dieses Nachbild, wie es jeder sah, so ähnlich wie möglich, in seinem Farbton zu malen. Das Resultat waren fünf erstaunlich ähnliche Bilder. Es wurde nun eines nach dem andern an den Fallschirm geheftet und das Nachbild neuerdings erzeugt. Völlig übereinstimmend waren die Urteile der Versuchspersonen, inwiefern das gemalte Bild dem gesehenen entsprach oder nicht. Mit Leichtigkeit konnte Übereinstimmung erzielt werden, welches von den fünf Bildern von allen als das am besten getroffene bezeichnet wurde.

Aus den gemalten Bildern, sowie den völlig ubereinstimmenden Urteilen bezüglich des besten Bildes, kann entnommen werden, daß offenbar jeder von der bestimmten gebotenen Farbe die gleiche „geforderte” Farbe sah. Das würde bedeuten, daß eine höhere Gesetzmäßigkeit als die der leiblichen Wirksamkeit der verschiedenen Augenpaare, beim Auftreten der geforderten Farben dominiert.

Man halte weiter folgende Phänomene dazu: 

Von einem nicht kontinuierlichen Spektrum, also einem solchen, das in der Mitte weiß ist, wird der blaue und violette Rand für das Auge verdeckt und nur der rote und gelbe Rand fixiert. Man erzeuge das Nachbild von diesem und vergleiche es durch geschicktes Nebeneinanderhalten mit dem nunmehr wieder sichtbar gemachten blauen und violetten Rand. Es sind die „geforderten” Farben, genau die nämlichen wie die durchs Prisma erscheinenden. Der gleiche Versuch mit den anderen beiden Farben ausgeführt, zeigt natürlich das nämliche Resultat.

Das gleiche gilt für die von Goethe „entoptische” genannten Farben (Polarisationsfarben). Auch hier sind es genau die „geforderten”, die im Polarisationsapparat auftreten. Und Goethe bemerkt hier: „Was in der Atmosphäre vorgeht, begibt sich gleichfalls in des Menschen Auge, und der entoptische Gegensatz ist auch der physiologische.” (Siehe auch die Versuche, die R. Matthaei beschreibt auf S. 25,28,29 des Buches „Die Farbenlehre im Goethe-Nationalmuseum”, die zu gleichen Ergebnissen führen.)

Die gleichen Farbenpaare erscheinen auch beim Phänomen des farbigen Schattens, der selbst nicht physiologisch erklärt werden darf.” (Siehe dazu: Gerhard Ott und Heinrich O. Proskauer: „Das Rätsel des farbigen Schattens” Zbinden-Verlag, Basel)

Diese wenigen Versuche, die, wie gesagt, vervielfacht werden könnten, können die These stützen: Nicht als „Wirkung” leiblicher Vorgänge treten aus diesen die Farben „subjektiv” im Auge auf, sondern, nach einer eigenen, den Farben selbst wesentlichen Gesetzmäßigkeit, die über den räumlich-zeitlichen Prozessen des Leibes, sowie Jenen der „Außenwelt” steht, erscheint die Farbe einmal auf dem Gebiete des lebendigen Sinnesorganismus (physiologisch) und einmal innerhalb rein räumlicher Verumständungen (physikalisch). Wir haben also einen anderen Schnitt zu machen als den zwischen Ursache und Wirkung, Subjekt und Objekt, der sich so darstellen läßt:

 

              Farbe mit ihrer eigenen Gesetzmäßigkeit, primär und übergeordnet

————————————————————————————————————

                                              Erscheinungsgebiete: 

                              menschliche Leiblichkeit (physiologisch),

                         rein räumliche Verumständungen (physikalisch)

 

Wie im Auge die Leiblichkeit aus ihrer Gesetzmäßigkeit störend wirken kann, wenn sie zu stark ins Auge eingreift und dieses nicht selbstlos die Farbgesetzmäßigkeiten offenbaren kann, (pathologische Erscheinungen) so können auch die materiellen Verhältnisse‚ mit denen die Farbe in der Welt der Gegenstände verbunden ist, sie gewissermaßen fesseln und die Farbgesetzmäßigkeit stören. Wird so einerseits der Blick auf das Wesen der Farbe, unabhängig von aller Körperlichkeit an der sie erscheint, hingelenkt, so zeigt sich andererseits, daß die Gesetzmäßigkeit dieses Wesens sich im selbstlos (gesund) wirkenden Auge des Menschen, z.B. in den geforderten Farben, wahrer offenbart, als an und in den räumlichen Gegenständen und Substanzen der „Außenwelt”.

Mit dieser Einsicht, die den verhängnisvollen, das ganze wissenschaflliche Denken verkümmernden Schnitt zwischen Subjekt und Objekt überwindet, und die prinzipiell für alle Sinnesempfindungen gilt, sind diese als Wahrnehmung gerettet und ihres trügerischen Charakters entkleidet.

Sieht man in der Sinnesempfindung nur ein Produkt der Leiblichkeit, so ist damit der Mensch in der Wissenschaft nur ein unvermeidlicher „Störfaktor” (Heisenberg) und das Bestreben muß dahin gehen, den Menschen in der Erkenntnis immer mehr auszuschalten. Es ist dann allerdings nicht zu verwundern, wenn das Wissenschaftstreiben samt der aus ihr entspringenden Praxis unmenschlich wird.

Zur gegenseitigen Haltung führt die von uns dargestellte Einsicht, die Goethe einmal so ausspricht: „Der Mensch an sich selbst, insofern er sich seiner gesunden Sinne bedient, ist der größte und genaueste physikalische Apparat, den es geben kann, und das ist eben das größte Unheil der neueren Physik, daß man die Experimente gleichsam vom Menschen abgesondert hat, und bloß in dem, was künstliche Instrumente zeigen die Natur erkennen, ja was sie leisten kann, dadurch beschränken und beweisen will.” 

Damit ist auf eine Wissenschaftsrichtung gewiesen, die nicht zu „Erkenntnisgrenzen” führt, sondern den Menschen als ein sich immer steigerndes und verfeinerndes Erkenntnisorgan durch die Erkenntnispraxis zu immer größerer und reicherer Ausbildung seines Menschentums aufruft. 

Nur auf diesem Wege wird er aber die Kräfte entwickeln können, um den Dämonen die eine unmenschliche Naturwissenschaft und Technik heraufbeschworen hat, standhalten zu können. Das sind letztlich die Hintergründe des Kampfes um Goethes Farbenlehre.

 

 

Seite 75

Was sich ergibt

„. . . meine Farbenlehre ist so alt wie die Welt, und wird auf die Länge nicht zu verleugnen und bei Seite zu bringen sein.” Goethe

Was charakterisiert Goethes Erkenntnishaltung? 

Was könnte von ihr gelernt werden?

Zunächst ein scharfes Unterscheidungsvermögen zwischen Wahrgenommenem und Gedachtem. Daß das nicht so leicht ist wie es scheint, davon gibt gerade die Newtonsche Farbenlehre genügend Beispiele und Goethe bemerkt dazu ausdrücklich: „Was ist das Schwerste von allem, was dir das Leichteste dünket: Mit den Augen zu sehen, was vor den Augen dir liegt.” oder, wenn er, im Zusammenhang mit seiner Farbenlehre sagen muß: „Man suche nur nichts hinter den Phänomenen; sie selbst sind die Lehre.” Würde das berücksichtigt, so könnte man nicht die Farben als im Licht enthalten denken, sind sie doch niemals darinnen wahrzunehmen.

Ein Weiteres wäre: seine mathematische Methode innerhalb der Phänomene zu bemerken. Nicht die mathematischen Inhalte, das sind Größen, die nur den quantitativen Ausschnitt der Wirklichkeit in ihrer Anwendung erfassen können, diese sind für die Qualität Farbe nicht brauchbar. Wohl aber die Anordnung der Phänomene‚ ihre Rückführung auf einfachere bis zum Grundgesetz, dem Urphänomen‚ das dem Axiom in der Mathematik entspricht, und von diesem wieder zu den zusammengesetzten aufzusteigen. 

„Diese Bedächtlichkeit”, sagt Goethe, „nur das Nächste ans Nächste zu reihen, oder vielmehr das Nächste aus dem Nächsten zu folgern, haben wir von den Mathematikern zu lernen, und selbst da, wo wir uns keiner Rechnung bedienen, müssen wir immer so zu Werke gehen, als wenn wir dem strengsten Geometer Rechenschaft zu geben schuldig wären“ Und: „Spinoza hat die Mathematik In die Ethik gebracht, so ich in die Farbenlehre, das heißt, da steht nichts im Hintersatz, was nicht im Vordersatz schon begründet ist.”  

Dann beachte man seinen Blick für das Werden der Phänomene, ihre Dynamik, z.B. in der Farbenlehre, das Entstehen der Farben aus dem Zusammenwirken von Licht und Finsternis (Nicht-Licht). Was allerdings voraussetzt, die Finsternis in den mannigfaltigsten Formen ins Bewußtsein fassen zu können, sie nicht als „Nichts“ gewissermassen zu verschlafen. 

(Ein Streifen farbigen Papiers auf eine Reihe Papiere von Weiß bis zum Schwarz über verschiedene Graustufen gelegt, durch Prisma die farbigen Ränder betrachtet, zeigt deutlich das Mitwirken der jeweiligen Umgebung, auch gerade der dunklen, an den Farben der Ränder).

Es ist die Anschauungsweise Goethes, seine „anschauende Urteilskraft“, wie er sie nannte, die eine an die Wirklichkeit angepasstere ist, sich nicht durch Abstraktionen von den betrachteten Gegenständen entfernt. Es ist sein „gegenständliches“, sich liebevoll in das Werden der Phänomene eindringendes Forschen, das ihm für de Pflanzenwelt die Metamorphosenidee und die „Urpflanze” finden ließ, und ihn zum Entdecker des Zwischenkieferknochens am menschlichen Schädel machte, dessen Vorhandensein die Anatomen seiner Zeit ableugneten. So ist es in der Farbenlehre die gleiche, die Prozesse des Werdens, die „Absichten” der Natur, bemerkende Denkweise, die ihn auch die Schädelknochen als metamorphisierte Halswirbelknochen finden ließ. 

(Siehe dazu: Heinrich O.Proskauer „Zum Streit der Newtonschen gegen die Goethesche Denkweise in der Farbenlehre”. Durch das Goethe-Farbenstudio, Goetheanumstraße 9, Dornach/Schweiz)

Goethes Farbenlehre ist nicht eine Physik im Sinne Newtons mit Gebrauch eines mechanistisch-quantitativen Denkens, weil die Farbe nicht in der Welt quantitativer Zusammenhänge beheimatet ist und durch ein solches Denken nur vernichtet wird, indem Schwingungen oder Strahlungen an ihre Stelle gesetzt werden.

Der Kampf um Goethes Farbenlehre wird solange zu führen sein, bis eingesehen wird, daß durch dieses Werk Goethes, erstmals ein wissenschaftlicher Weg ins Reich der Qualitäten gebahnt wird.

 

Literatur zu Goethes Farbenlehre

J. W. Goethe

„Die Farbenlehre” Mit Einleitungen und Kommentaren von Rudolf Steiner,

Fünf Bände in Kassette, 1428 Seiten, 20 Seiten Farbtafeln kart., 

Verlag „Freies Geistesleben”, Stuttgart.

 

André Bjerke

„Neue Beiträge zu Goethes Farbenlehre”, 88 Seiten mit vielen Tafeln. (z. Zt. vergriffen)

 

Gerhard Ott

„Goethe, Eckermann und die farbigen Schatten”, 20 Seiten, „Goethes Farbenkreis als Wahrbild der Wirksamkeit des Farbigen in der Natur”, 20 Seiten

 

Heinrich O.Proskauer 

„Zum Studium von Goethes Farbenlehre” mit Versuchsprisma und Tafeln, 

115 Seiten, einführend in die Grundkapitel. 

4. Auflage, Zbinden-Verlag, Basel — (auch englisch und italienisch) 

„150 Jahre Goethes Farbenlehre und die Fruchtbarkeit ihrer Prinzipien zum Verständnis neuentdeckter Farbenphänomene (Der Versuch von E.H.Land, USA) 

„Zum Streit der Newtonschen gegen die Goethesche Denkweise in der Farbenlehre” — 

Der Mythos von Goethes „Irrtum” in seiner Farbenlehre. — Wirklichkeitsfremdes und wirklichkeitsgemäßes Denken. 36 Seiten

 

 

Gerhard Ott & H.O. Proskauer  

„Das Rätsel des farbigen Schattens, Versuch einer Lösung , 

117 Seiten mit Versuchsmitteln, 

Zbinden-Verlag, Basel


Arnold Brass 

„Untersuchungen über das Licht und die Farben”, 

210 Seiten

 

Hilde Boos-Hamburger

„Aus Gesprächen Rudolf Steiners über Malerei”, 

59 Seiten

 

4 Kommentare

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